Wir haben gerade noch einmal die letzten Zeilen unseres letzten Beitrages gelesen, um zu wissen, wo wir anknüpfen müssen. Das ist verdammt lange her – oder zumindest – weit weg. Wir befinden uns wieder an dem Ende des Kontinents, wo wir unsere Reise begonnen haben, besser gesagt ein Stück weiter, auf Vancouver Island. Längst ist es Herbst und in den letzten Wochen haben wir wieder ordentlich Kilometer geschrubbt. Berta gibt sich mit ihren neuen Zündkerzen sehr wacker. Nicht ein einziges Mal hat sie sich verschluckt oder hat anderweitig herumgezickt. Wir sind sehr stolz auf sie und zugleich froh, dass wir mit ihr so weit gekommen sind. Innerhalb der letzten fünf Monate bewegten wir uns mit ihr über eine Strecke von über 32.000 km durch sechs Zeitzonen in Kanada und Teilen der USA. Nun ist es leider langsam soweit, dass wir uns von ihr verabschieden müssen. Sie ist bereits zum Verkauf inseriert und hat auch schon ein paar Anfragen bekommen. Mal sehen, was dabei heraus kommt. Aber nun erstmal von vorn…

Nachdem wir die Werkstatt in Moncton verlassen haben, ging es wieder nach Quebec City. Auf dem Weg gab es ein paar sehr raffinierte Kleinbrauereien, bunte Wälder und unendlich viele kleine Seen für uns. Wir waren sehr froh, wieder in Quebec zu sein, schon allein des besseren Essens wegen. In Quebec City haben wir die Chance genutzt, die Stadt noch einmal bei Tag zu erkunden. 

Blöderweise lagen zu diesem Zeitpunkt gerade drei große Kreuzfahrtschiffe (vermutlich die aus Halifax) vor Anker, was die kleine Stadt beachtlich füllte. Wir haben uns in die Hinterstraßen verkrochen und standen plötzlich inmitten einer riesigen Fridays-for-Future-Demonstration. An diesem Tag wurden in ganz Kanda solche Demonstrationen abgehalten und es hat uns fasziniert und glücklich gemacht, wie viele Menschen auch hier für die Umwelt auf die Straße gehen. Vor allem waren das junge Menschen. Das ist wirklich beeindruckend.

Den Abend und den Rest des Wochenendes haben wir bei unserer Freundin Carolane, die wir auf dem Shambhala Festival kennenlernten, in Quebec City verbracht. Mit ihr ist es wie mit Marcin aus Toronto. Das sind Begegnungen, die unheimlich bereichern und hängenbleiben werden.

Anschließend ging es für uns noch einmal für ein paar Tage in das Chalet von Christiane und Serge aus Montreal, wo wir mit Jutta und Ramon schon eine Nacht waren. Wir haben für ein paar Tage vorm Kamin ausgespannt, im Fluss gefischt, wenn auch mit wenig Erfolg, und die Ruhe im Wald genossen, bevor wir uns wieder auf die große Reise in Richtung Westen machten. Der Herbst war auch dort schon in vollem Gange und die Ahornbäume hatten ihre Farbe von grün über gelb und orange zu feuerrot gewandelt. Es ist atemberaubend schön, wenn man eine Straße durch den Wald fährt und alles in diesen Farben leuchtet. Das gibt es so nur im Osten Nordamerikas.

Nach vier Tagen Entspannung und ohne uns auch nur einmal aus dem Wald zu entfernen, haben wir uns dann wieder ins Auto gesetzt. Unser Weg führte uns diesmal durch die Laurentiden, die allerdings leider ein wenig im Regen versunken waren, und durch Nordontario. Wir hätten vorher nicht mit solch einer Abgeschiedenheit gerechnet, da Quebec noch einigermaßen belebt war. Sobald wir die Grenze zu Ontario überschritten hatten, freuten wir uns erstmal, dass wir mit unserem Englisch wieder weiterkamen, aber wir merkten auch sehr schnell, dass kaum jemand da war, mit dem wir hätten sprechen können. 

Alle 200 km kommt auf dieser Straße mal eine kleine Ortschaft und dazwischen ist einfach nur Wald. Nichtmal ein Tier haben wir zu Gesicht bekommen, dafür jede Menge schmackhafte Waldpilze, die sonst wohl niemand sammeln würde. Ein kleines Highlight war auf dieser Tour der Ouimet Canyon, den wir auf unserem Hinweg links liegen lassen haben. Durch die Farben der Bäume war der Canyon wahrscheinlich noch beeindruckender, als er im Sommer gewesen wäre.

Nach 2.000 km hatten wir wieder die Westgrenze Ontarios erreicht. Unfassbar, wie groß diese Provinz ist und mit ihr ihre Zeitzone. Kein Wunder, dass man ständig darüber erstaunt ist, wie sich die Zeitpunkte von Sonnenauf- und -untergang verschieben, je nach dem, wo man sich befindet. Wieder in Manitoba, wechselte die Landschaft ziemlich abrupt von Bäumen und Felsen zu einziger Prärie, die es für weitere 2.000 km zu durchfahren galt. Da wir das Meiste auf dem Hinweg schon gesehen hatten, machten wir nicht viele Stops und fuhren ziemlich straight durch. Wir hatten auch ein bisschen Bammel vor dem Wetter, das Vorhersage ankündigte. In der Mitte von Saskatchewan suchte uns ein heftiger Schneesturm heim, gekoppelt mit einem plötzlichen Temperaturabfall um ca. 30° C. Am Tag zuvor hatten wir noch um die 20° C in Winnipeg in Manitoba, wohingegen wir in der darauffolgenden Nacht in Moose Jar in Saskatchewan bei -10°C und heftigen Nordwind froren. Das erste Mal, dass es Zeit für uns wurde, unseren Wassertank abzulassen, damit dieser und vor allem die Leitungen nicht einfrieren und platzen. Eine Nacht haben wir es geschafft, bei diesen Temperaturen im Auto zu schlafen, die zweite Nacht haben wir uns ein billiges Motel in Medicine Hat in Alberta gegönnt. Direkt vorm Motel parkte in dieser Nacht ein Auto, in dem ein vermutlich kanadisches Paar bei laufendem Motor die Nacht verbrachte. Ziemlich heftig, aber wohl keine Seltenheit in diesem Land. Sowas fällt dann eben erst im Winter auf. Nichtsdestotrotz war die Prärie in ihrer Kälte um einiges schöner, als wir sie im Sommer erlebt hatten. Wir können gar nicht genau sagen, woran das lag, vermutlich an den abwechslungsreicheren Kontrasten des „lebenden Himmels“ und einer Stille, die man förmlich sehen konnte. Kurz vor Calgary machten wir noch einen Abstecher zum Dinosaur Provincial Park, einem tiefen Canyon in der Prärie, in dem eine Menge Saurierknochen gefunden wurden und man einige am Fundort belassene, freigelegte Skelette sehen kann.

Ungefähr ab der Mitte der Provinz Albertas konnten wir am Horizont die Rocky Mountains wahrnehmen, die sich wie ein unwirkliches Gebilde aus der sonst so kargen Landschaft abheben. Damit wussten wir, es ist nicht mehr weit bis zur nächsten Therme. In Banff war das gleich unsere erster Anlaufpunkt und es war genauso toll, wie wir es in Erinnerung hatten. Wir haben noch einmal einen Umweg genommen, da wir gern den Lake Moraine eisfrei sehen wollten. Wir waren im Mai schon einmal da, allerdings war zu diesem Zeitpunkt der See noch komplett gefroren. Im Juli hatten wir noch einen Versuch unternommen, aber da war der See seit dem Morgen so überfüllt, dass wir nicht einmal auf die 16 km lange Straße gelassen wurden, die zu diesem See führt. Voller Tatendrang also, den See endlich in seinem strahlendem Blau zu sehen, fuhren wir nach Lake Louise und ignorierten alle Hinweise, dass der Parkplatz schon wieder überfüllt sei. Wir waren auch sehr glücklich, dass wir tatsächlich die Straße befahren durften, aber umso näher wir dem See kamen, desto mehr fiel uns der immer dicker werdende Schnee neben und auf der Straße auf. Das Ende vom Lied: Dieser verdammte See war schon wieder zugefroren! Und zwar so sehr, dass die Leute darauf rumliefen. Es war trotzdem schön dort und auch vom Lake Louise konnten wir noch ein paar schöne Bilder machen (noch nicht zugefroren), aber wir hätten uns dennoch gefreut, den See endlich mal in seiner tollen Farbe zu sehen. Blieb uns nur, im Giftshop ein Postkartenmotiv abzufotografieren…

Auf dem Weg durch die Kootenays haben wir noch einmal einen kleinen Stop in Invermere bei Chrissy, Andi und den Kindern eingelegt. Wir haben uns sehr in diese Gegend verliebt, sodass wir dort mittlerweile zum vierten Mal waren. Selbst die Kellnerin aus dem Indischen Restaurant hat uns wiedererkannt. Aber dieses Restaurant ist auch absolut fantastisch.

Da es so langsam doch etwas kalt wurde, haben wir uns auf die Suche nach weiteren Hot Springs gemacht. Bei den Halfway Hotsprings in der Nähe von Nakusp sind wir fündig geworden und haben uns den ganzen Abend und den nächsten Morgen in kleinen natürlichen Pools mit heißem Wasser, mitten in der Wildnis an einem Fluss, geaalt und waren meistens alleine. Wenn wir es nicht waren, quasselten wir mit geschwätzigen Hillbillies aus der Gegend. Nur der Tatzenabdruck eines Bären, den wir direkt neben den Pools entdeckt haben, hat uns ein wenig irritiert. Aber wir sind keinem begegnet.

Auf vielfältiges Anraten hin und aufgrund des Wetterberichts, sind wir ins Okanagan Valley gefahren – Kanadas wärmster Gegend und größter Weinregion. Das Tal ist gesäumt von Wein- und Apfelplantagen. Nach Süden hin wird das ganze zu einer Art Wüste. Der Wein kann wirklich was, sogar der Rote. Einen solch reichen, intensiven Geschmack würde man eher in subtropischen Gefilden vermuten. Warm war es allerdings nicht wirklich und leider ist diese Gegend für unseren Geschmack zu verbaut und sehr touristisch.

Am darauffolgenden Abend sind wir in Chilliwack angekommen, da uns Scotts Familie eingeladen hatte vorbeizukommen, sobald wir in der Nähe sind. Dort haben wir diesmal die Kinder von Charlie, dem Lebensgefährten von Scotts Mutter, kennengelernt und mit ihnen und der Schwester von Scott den Abend verbracht. Außerdem sind wir in den Genuss eines richtigen Bettes mit Dusche gekommen, was wirklich super ist, wenn man bedenkt, dass es dort seit ca. einer Woche unentwegt regnet.

Jetzt sind wir auf Vancouver Island und noch regnet es hier auch, sodass wir von der hoch angepriesenen Fährfahrt nicht viel mitbekommen haben. Aber der Wetterbericht sagt, dass es ab morgen schön werden soll. Wir sind gespannt und haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben hier noch einmal ein paar wärmere Tage mit Sonnenschein zu erleben, bevor wir in Vancouver auf dem Weihnachtsmarkt arbeiten werden.