Nun ist es schon fast wieder einen Monat her, seit wir unseren letzten Beitrag geschrieben haben und interessanterweise befinden wir uns wieder nahezu an exakt demselben Ort, nur auf der anderen Seite des Sees. Der See namens Kootenay Lake, ein etwa 100 km langer See, liegt mitten in den Kootenays, ein wunderschöner Teil der Rockies, nördlich von Nelson. Die Gegend scheint es uns angetan zu haben, denn irgendwie kommen wir hier nicht weg.
Nachdem wir die Nationalparks Banff und Yoho hinter uns gelassen haben, hat uns unser Weg nach Nelson geführt – einer sehr alternativen Stadt, in die zu Zeiten des Vietnamkriegs viele Amerikaner geflüchtet sind, um nicht kämpfen zu müssen. Das Flair ist sehr entspannt, es gibt viele Kneipen und Brauereien, mehrere Läden mit lokalen Produkten und zweimal pro Woche einen Markt, auf dem man Kunst und lokale Lebensmittel kaufen kann. Hier sind wir auf große Werbeplakate aufmerksam geworden, die für Anfang August im Nachbarort ein Festival ankündigten, wofür noch Personal gesucht wurde. Da wir uns sonst ein Festivalticket nicht hätten leisten können und wollen (450 $ pro Person) und wir aber auch gern mal auf ein kanadisches Festival wollten, dachten wir, das ist unsere Chance. Außerdem müssen wir ja auch mal arbeiten, wenn wir schon ein Arbeitsvisum haben. Die Bewerbung war dann auch relativ einfach und wir haben ziemlich schnell die Zusage erhalten. Jetzt mussten wir nur noch die zwei Wochen bis dahin irgendwie herumbringen.
Da es in der Gegend der Kootenays schwierig ist, einen guten Platz zum übernachten zu finden und wir auch nicht wussten, was wir hier die ganze Zeit hätten machen sollen, sind wir wieder nach Alberta gefahren. Dort haben wir uns dann doch noch einmal in einen Nationalpark getraut, den Waterton Nationalpark, der wirklich sehr schön war, aber leider auch wieder unserem typischen Bild eines Nationalparks entsprach. Soll heißen, viele Touristen, alles überteuert und nur auf Touristen ausgelegt. Viel besser hat es uns dann im etwas weiter östlich liegendem Writing-On-Stone Provincial Parc gefallen. Dort hat ein Fluss einen riesigen Canyon in die sonst absolut ebene Prärielandschaft geschnitten und bizarre Strukturen im Sandstein hinterlassen, die sogenannten Hoodoos. Die Ureinwohner nutzten diese Hoodoos zur Kommunikation, indem sie Wandmalereien und Schriften darauf hinterließen. Daher auch der Name des Parks. Die Landschaft und das Klima dort hat uns sehr fasziniert, da wir mit so etwas in Kanada nie gerechnet hätten. Es war heiß und wahnsinnig trocken, sodass sogar Kakteen wuchsen und Klapperschlangen klapperten. Solch eine Vegetation vermutet man eher in Mexiko.
Anschließend ging es nach wieder etwas nördlich nach Lethbridge, der größten Stadt in Südalberta. Erstens, um unsere Vorräte wieder ein wenig aufzustocken und zweitens, um Bastis Geburtstag in einem Hotel zu verbringen. Es war so toll, mal wieder ein richtiges Bett zu haben und ein Bad mit warmer Dusche direkt nebenan und nicht mehrere 100 m entfernt, wie sonst immer. Wir haben eigentlich von der Stadt überhaupt nichts weiter gesehen haben, sondern den ganzen Tag tatsächlich nur im Hotelzimmer verbracht. Verpasst haben wir sicher nichts.
Spontanerweise hatten wir aber zwei Tage später schon wieder ein richtiges Bett zum Schlafen. Wir hatten auf unserer bisherigen Reise völlig aus den Augen verloren, dass uns vor gut einem Jahr eine gute Bekannte von Bastis Papa, uns zu sich nach Kanada eingeladen hatte. Als es uns wieder einfiel, haben wir Kontakt zu ihr aufgenommen und festgestellt, dass sie gar nicht so weit weg wohnte. Da wir eh noch ein gutes Stück Zeit bis zum Festival hatten, haben wir dort in Invermere (wo wir zu unserer Schande schon mehrfach durchgefahren sind) einen Zwischenstop gemacht und sind gleich nahezu eine Woche geblieben. Wir haben die Zeit bei Chrissi, Andi und ihren Kiddies sehr genossen und sind wahnsinnig dankbar, dass wir solang bei ihnen bleiben durften. Dort sind wir seit langem mal wieder ein bisschen zur Ruhe gekommen, sind viel Rad gefahren, haben eine Kanutour auf dem Columbia River gemacht und haben einfach die Seele baumeln lassen und mal wieder unsere persönlichen Energieakkus aufgeladen. Das war wirklich bitter nötig.
Um für das Festival noch einmal gut einzukaufen, sind wir nun doch noch einmal nach Amerika gefahren, diesmal aber nach Idaho und Washington. Amerika ist für Kanada so ein bisschen wie Tschechien für Deutschland. Man fährt mal schnell rüber, wenn man günstige Lebensmittel, Tabak und Alkohol haben möchte. Das darf man aber natürlich niemals einen Amerikaner wissen lassen. Die kleine Runde dort dauerte auch nur drei Tage, weil man mindestens 48 h im Land bleiben muss, um Dinge mit über die Grenze nehmen zu dürfen.
Danach ging es auch direkt zum Shambhala Festival. Wir durften ab Montag anreisen, was uns auch sehr empfohlen wurde, um einen guten Platz zum Campen zu finden. Ab Dienstag kamen dann die normalen Besucher. Wir haben einen wirklich guten Platz zum schlafen gehabt, der fast den ganzen Tag im Schatten und sehr ruhig war. Einen Fluss zum Baden gab es gleich daneben obendrein. Außerdem waren wir umgeben von vielen verschiedenen, absolut faszinierenden Menschen verschiedenster Nationalität, mit denen wir super harmonierten. Wir waren die ganze Zeit über wie eine kleine Familie. Super Gesellschaft – einige sehen wir definitiv wieder.
Das Festival selbst hat uns umgehauen, obwohl wir leider nicht so viel davon mitbekommen haben, wie wir eigentlich gern hätten. Letztlich haben wir es auf eine ganz andere Art und Weise mitbekommen, da wir arbeiten mussten. Wir haben beide in verschiedenen Ständen gearbeitet. Basti hat die ganze Nacht Pasta und Soßen gekocht und Nati Limonade verkauft. Es war interessant und hat wirklich viel Spaß gemacht, aber war auch richtig, richtig anstrengend. Wir sind jeden Morgen nahezu tot ins Bett gefallen.
Das Shambhala ist ein Elektromusikfestival, das ein ähnliches Konzept wie die Fusion in Deutschland hat. Es ist komplett in privater Hand, findet auf einer riesigen Farm in einem Tal bei Salmo statt und es gibt weder Sponsoren noch Werbung. Es wird absolut kein Alkohol verkauft und wer welchen mitbringt und dabei erwischt wird, muss diesen abgeben. Interessanterweise führt das zu einer völlig anderen Atmosphäre und Wahrnehmung des Events. Allerdings werden Drogen aller Art konsumiert. Anstatt dies mit allen Mitteln zu unterbinden und zu verbieten und damit den kompletten Vibe des Festivals zu zerstören, bietet eine Organisation an, die Drogen auf Reinheit zu checken, damit man sich nicht durch Verunreinigungen vergiftet und Schäden zufügt. Ein gutes Konzept, wie wir finden, das auch rege genutzt wurde. Insgesamt waren gut 20000 Leute auf dieses Festival und so ziemlich jeder war irgendwie drauf. Es war keine Aggressivität zu spüren, jeder war friedlich und hat das Gefühl genossen, ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein.
Es wurden Umarmungen gegen Kaugummis gehandelt, die Kostüme wurden von Tag zu Tag einfallsreicher, bunter und schriller, es gab wunderschöne Installationen und Workshops und natürlich tolle Bühnen und DJs. Umso später es wurde, desto mehr Drogen wurden konsumiert und desto lustiger wurde es für uns, die Leute von unseren Ständen aus zu beobachten. Manchmal waren aber auch schon recht krasse Ausfälle dabei. In der letzten Nacht befürchteten vermutlich die meisten, am nächsten Tag in eine Polizeikontrolle zu geraten und warfen sich alles ein, was sie noch übrig hatten. Am Montagmorgen ging die Party noch bis 12 Uhr weiter und wir hatten uns vorgenommen, die letzten Stunden nach unserer letzten Schicht auch noch ein wenig zu feiern. Als wir bei den Bühnen ankamen, fühlten wir uns wie in einer komplett anderen Welt. Das Festivalgelände hatte sich durch den Dauerregen über Nacht in eine Schlammwüste verwandelt, was aber den Feiernden nicht den Spaß verdarb. Zwischen tanzenden Krokodilen, Piraten und Einhörnern, taumelte oder lag so mancher Körper im knöcheltiefen Morast. Die Szenerie hatte etwas schwer dystopisches. Wir wateten von Bühne zu Bühne, in der Hoffnung, doch noch in Stimmung zu kommen, aber wir waren nach viertägiger Party und Arbeit komplett erledigt. Wir sind dann doch lieber ins Bett gegangen und haben nahezu zwei Tage durchgeschlafen. Ganz ehrlich, sowas wie das Shambhala haben wir noch nie zuvor erlebt.
Jetzt sind wir wieder am Kootenay Lake angekommen, weil wir auf dem Festival jemanden kennengelernt haben, der nächstes Wochenende hier ein ähnliches nur viel viel kleineres Festival veranstaltet und uns dazu eingeladen hat. Sozusagen eine Art Aftershow-Party. Da wir auch mal feiern wollen und dann immer noch über zwei Wochen Zeit haben nach Toronto zu kommen, sind wir jetzt wieder hier und warten auf einem schönen entspannten Campingplatz direkt am See darauf, dass es Freitag wird.