Die erste Nacht in Laos verbrachten wir in Houay Xay, einer kleinen, unscheinbaren Stadt am gegenüberliegenden Ufer des Mekongs, der über weite Teile die Grenze zwischen Thailand und Laos bildet. Die meisten Reisende bleiben hier nur für eine Nacht. In Houay Xay legen Boote zur Fahrt in die stromabwärts liegenden Teile des Landes ab. Am Grenzübergang haben wir ein irisches Pärchen und einen Engländer kennengelernt, mit denen wir den Abend verbrachten. Es gab laotisches Essen, was dem thailändischen sehr ähnlich ist, nur ein bisschen teurer. Beerlao, die wohl einzige Biermarke im Land, ist vergleichsweise billig. Es schmeckt nicht so gut, macht dafür aber schon bei mäßiger oraler Verklappung tierische Kopfschmerzen.
Der erste Tag auf dem Boot war noch etwas verhalten, aber dennoch ist schon eine ganze Menge Bier geflossen. Wir hatten einen schönen Platz und konnten uns an der Landschaft des Mekongs und seiner angrenzenden Bewohner gar nicht statt sehen. Überall standen Wasserbüffel und Ziegen. Die Kinder waren schwimmen und die älteren Leute haben gefischt, Kleidung gewaschen oder irgendetwas getan, was für uns wie Goldwaschen aussah. Keine Ahnung, was sie wirklich gesucht haben.
In Pak Beng, wo wir die Nacht verbrachten, hatten wir wahrscheinlich die schlimmste Absteige, die man in dem Ort finden kann, zusammen mit sehr vielen partyfreudigen und betrunkenen Zwanzigjährigen. Unser Zimmer hatte nicht mal ein Fenster, dafür viele Moskitos, und das Waschbecken ist direkt auf den Boden abgeflossen. Wir haben es überlebt. Abends haben wir die einzige Bar der Stadt unsicher gemacht und dabei ein amerikanisch-englisches Paar getroffen, mit denen wir uns den ganzen Abend unterhalten haben.
Am nächsten Morgen ging es mit einem heftigen Beerlao- und Laoh-Lao- (dem selbstgebrannten illegalen Schnaps des Landes) Kater wieder aufs Boot, diesmal aber schon um neun Uhr morgens. Das vom Vortag übriggebliebene Bier ging mit Beihilfe unserer neuen englisch-amerikanischen Freunde zur Neige, noch bevor das Boot ablegen konnte. Damit nahm das Unheil seinen Lauf. Um es kurz zu fassen, wir haben diesmal nicht besonders viel von der Landschaft gesehen, sondern haben viele tiefgründige Gespräche über die Vor-und Nachteile von BHs und Urinellas geführt und mussten insgesamt drei- oder viermal anlegen, weil der Biervorrat in der Bootsküche erschöpft war. Die Fahrt war so kurzweilig, dass wir, als wir plötzlich in Luang Prabang ankamen, erstaunt waren, wie schnell die sieben Stunden Fahrt vorübergingen. Wir sind direkt kurz ins Bett gefallen, aber haben es dann doch noch geschafft, abends etwas essen zu gehen.
Luang Prabang, seit den 1990er Jahren UNESCO Weltkulturerbe, ist mit seinem französischen Kolonialstil, der malerischen Lage am Mekong, den vielen buddhistischen Wats, der französisch-laotischen Fusionsküche und vor allem wegen der Ruhe und Entspanntheit wohl eine der schönsten Städte in Südostasien. Wir blieben vier Nächte, entspannten, aßen seit langem mal wieder richtigen Käse auf einer Wasserbüffelmilchfarm und fuhren mit unseren neuen englisch-amerikanischen Freunden Paulina und Toby auf dem Moped zu den Kuang Si Wasserfällen.
Letzterer, an sich wunderschön, war überfüllt mit Touristen, hauptsächlich Chinesen, die das chinesische Neujahrsfest in Laos verbrachten. Das Wasser war viel zu kalt zum schwimmen. Überhaupt waren in Luang Prabang für unseren Geschmack zu viele Touristen unterwegs. So schön und zurechtgemacht diese Stadt auch ist, so künstlich wirkt sie, denn sie lebt nur vom Tourismus und spiegelt nicht wirklich das eigentliche Leben in Laos wieder. Deshalb zogen wir weiter nach Vang Vieng, in der Hoffnung, dort einen besseren Einblick zu bekommen.
Die Fahrt mit einem Verrückten am Steuer über einen Pass auf 2.000 m Höhe in einem vollgestopften Minibus war mehr als halsbrecherisch, sodass wir beschlossen, nicht mehr aus dem Fenster zu schauen, obwohl die vorbeiziehende Landschaft atemberaubend war.
Im Vorfeld erfuhren wir über Vang Vieng, dass dies einst der Ballermann in Südostasien war. Jährlich starben, besoffen und zugedröhnt, dutzende Traveler beim Tuben, bei dem man sich in einem aufgeblasenen Traktorreifenschlauch flussabwärts von Bar zu Bar treiben lässt. Im Jahr 2012 starb auf diese Weise der Sohn eines hochrangigen australischen Regierungsmitglieds. Der Australier verklagte daraufhin die laotische Regierung und die Laoten reagiert prompt mit der Schließung der Tubing Bars und der Verhaftung der Betreiber. Verschiedene Quellen beschreiben diesen Ort nun als eher ruhig und als Ausgangsbasis für verschiedenste Outdooraktivitäten. Auf den ersten Blick schien es auch so zu sein. Der Ort liegt schön eingebettet in einem Tal umringt von steilen Karstfelsen und Reisfeldern.
Wir merkten sehr schnell, dass dieser Ort einer der abgefucktesten ist, an dem wir jemals waren. Der Sauftourismus hat zwar spürbar nachgelassen, jedoch hat dieser deutliche Spuren hinterlassen. Die Einheimischen begegneten uns größtenteils abschätzig, kalt und mit herzlichem Desinteresse, was man ihnen allerdings nach jahrelangem Anblick torkelnder, halbnackten Körper auf den Straßen Vang Viengs nicht verübeln kann. Überall liegt Müll herum. Jegliche Outdooraktivitäten konnte man nur in überteuerten Touren buchen, sodass wir uns entschieden, die Gegend auf eigene Faust mit dem Moped zu erkunden. Was wir nicht wussten war, dass jeder Aussichtspunkt, jede Badestelle, jede Brücke und jede noch so kleine Attraktion jeweils und pro Person mit einem Euro bezahlt werden will. Der Zustand dieser Gegend und die überall gegenwärtigen Müllberge lassen vermuten, dass das Geld eher nicht für die Instandhaltung genutzt wird. Schön finden kann man diesen Ort nur, wenn man 24 Stunden besoffen ist.
Wir haben uns dennoch hinreisen lassen, einmal Eintritt für einen Aussichtspunkt zu bezahlen, damit unsere Mopedtour nicht ganz umsonst war. Der Weg war sehr anstrengend, da er gefühlt mit 45° bergauf ging und man teilweise mehr klettern als laufen musste. Außerdem hatten wir natürlich wieder nur FlipFlops an.
Eigentlich wollten wir Laos noch bis in den Süden zu den Four Thousand Island, wo sich der Mekong in unzählige Arme aufspaltet, bereisen. Aber nach der Erfahrung in Vang Vieng beschlossen wir, das Land so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Die sprunghafte Ausbreitung des Wuhan-Viruses unter der chinesischen Bevölkerung und die Schließung vieler Grenzen im asiatischen Raum beunruhigten uns hinsichtlich der Scharen chinesischer Touristen außerdem. Nicht, dass es offiziell derzeit eine einzige Erkrankung in Laos gäbe. Allerdings fragen wir uns angesichts der eher rudimentären medizinischen Versorgung in Laos, ob eine Erkrankung auch wirklich registriert werden kann. Vielleicht machen wir uns aber in diesem Punkt auch zu viel Panik. Außerdem möchten wir auch keinen Slumtourismus betreiben und einheimische Bauern beim Verrichten ihrer Arbeit fotografieren. Das fühlt sich überheblich und patriarchisch an. Und so richtig willkommen gefühlt haben wir uns die ganze Zeit über nicht in diesem Land.
Um so wohler und willkommener fühlen wir uns, seitdem wir bei Vientiane, der Hauptstadt von Laos, wieder die Grenze nach Thailand überquert haben.