Vancouver Island

Vor ein paar Tagen haben wir festgestellt, dass wir seit einer ganzen Weile keine Bären mehr gesehen haben. Den letzten begegneten wir irgendwo in den Rockies, bevor wir an die Ostküste gefahren sind. Wir haben zwar immer noch Respekt, wenn wir nachts draußen herumlaufen, aber wir hören auch von allen Seiten, dass langsam die Zeit des Winterschlafs beginnt. Das kann man den Bären auch nicht verübeln. Wenn das mit der Kälte hier so weitergeht, sollten wir das vielleicht auch mal in Betracht ziehen…

Unsere Hoffnung auf gutes Wetter auf Vancouver Island trug Früchte. Gleich am nächsten Tag sind wir bei Sonnenschein aufgewacht und haben eine Wanderung durch den Regenwald gemacht. Die Vegetation war richtig schön und hat uns an den Regenwald in Neuseeland erinnert. Generell hat die Insel sehr viele Ähnlichkeiten zu Neuseeland, vor allem das milde Klima und die Naturvielfalt, aber auch die Entspanntheit in den Städten. Nach unserer Wanderung ging es direkt nach Victoria, der Hauptstadt von Britisch Columbia und von Vancouver Island. Erst wollten wir gar nicht hinfahren, weil wir nicht allzu hohe Erwartungen an noch eine kanadische Stadt hatten, aber wir sind froh, dass wir es dennoch getan haben.

Victoria hat komischerweise etwas von Leipzig, auch die Größe ist ähnlich. Die Stadt war sehr entspannt, ruhig und alternativ. Wir haben ein paar schöne Ecken gefunden, mit kleinen Brauereien, sehr guten Restaurants und Läden. Wir hatten ein wunderbares Dim Sum Essen in Chinatown, der ältesten des Landes. Auf unserem Pflichtprogramm stand natürlich noch die legendäre Brauerei Phillips. Seit wir das erste Mal Electric Unicorn White IPA probiert haben, sind wir diesem Bier verfallen. So gut wie jedes Bier von denen ist einfach großartig. Besonders hat es uns das Sour Beer, ähnlich wie die Leipziger Gose, mit Limetten oder Grapefruit angetan. Basti liebt das India Pale Ale mit besonders hopfig-bitterer Note. Am Ende hatten wir Bier im Wert von 123 Dollar im Auto, aber das war es auch wirklich wert.

Die Schlafplatzsuche gestaltete sich auf der Insel allerdings schwieriger, als auf dem Festland. Es gibt sehr wenige Plätze, auf denen man kostenfrei stehen kann und die billigeren Campingplätze hatten meist schon geschlossen. So mussten wir gleich am zweiten Tag auf einen Provincial Park ein Stückchen weiter nördlich ausweichen, der uns 20 Dollar kostete und auf dem wir komplett allein waren. Aber es war trotzdem schön, wir konnten noch einmal Feuer machen und die Parkwärterin war auch ganz nett und gesprächig. Aber man merkte am Morgen danach schon so langsam, dass das Klima doch ein wenig anders ist und wir es hier mit einer wesentlich höheren Luftfeuchtigkeit zu tun hatten, was die gefühlte Temperatur auch um einiges senkt.

Da wir nicht schon wieder Regen haben wollten, sind wir ein bisschen nach dem Wetterbericht gefahren. Der hat uns als erstes an die Westküste nach Ucluelet und Tofino geführt. Wir hatten schon viel über diese Region gehört und jeder meinte, dass wir dort unbedingt hinfahren sollen. Auf dem Weg dorthin sind wir nochmal an einem wunderschönen Regenwald vorbeigekommen, mit riesigen, alten Redwoods und traumhaft klarem Wasser in den Bächen. In Ucluelet selbst, wo es uns zuerst an der Westküste hinführte, hat es an dem Nachmittag noch geregnet. Das war auch der Grund, warum wir uns ein Hotel gegönnt haben, da dies nur unmerklich mehr als ein Campingplatz gekostet hat und uns sowieso kalt war. So hatten wir am nächsten Tag Zeit, gut ausgeschlafen und aufgewärmt den Ort und die Gegend drumherum zu erkunden. Direkt an der Küste gibt es einen richtig tollen Wanderweg, der durch einen alten Wald und vorbei an vielen schroffen und rauen Küstenabschnitten führte. Das Wetter war windig aber sonnig, so dass man das Meer von seiner besten Seite sehen konnte, nur natürlich wieder mal keinen Wal.

Anschließend fuhren wir durch den Pacific Rim Nationalpark in Richtung Norden nach Tofino. Es ist, glauben wir, der einzige Nationalpark, der Strände und das angrenzende Meer umfasst, was bei Surfern sehr beliebt ist. Die Strände sind einfach traumhaft, menschenleer und scheinen unendlich lang zu sein. Auch hier hatten wir wieder das Gefühl, in Neuseeland zu sein. Ein wenig getrübt wurde unsere Ansicht dann allerdings doch, als wir lasen, dass die Strände zu Kriegszeiten als Truppenübungsplatz genutzt wurden und es noch immer möglich ist, scharfe Munition am Strand zu finden. Das haben wir aber zum Glück nicht.

In Tofino hatten wir natürlich auch wieder ein Schlafproblem, aber Basti hat zuvor einen Artikel über eine Art Ökokommune gelesen, bei denen man schlafen konnte. Gesagt, getan. Als wir ankamen, fanden wir einen Platz vor, der sehr verlassen aussah, viele Camper und Behausungen schon längst verfallen waren und überall Müll herumlag. Dennoch sprangen ein paar vereinzelte Leute herum, die wir dann einfach angesprochen haben. Man erzählte uns, dass es diese Kommune eigentlich so nicht mehr gibt, da sie von vielen Menschen ausgenutzt wurde, die einfach verschwunden sind und ihren Dreck zurückgelassen haben, aber wir sollten trotzdem mal mit dem Besitzer sprechen, ob er noch einen Platz für uns hat. Dieser meinte, dass noch genau ein Platz verfügbar wäre und wir ihm entweder zehn Dollar pro Person und Nacht geben könnten oder ihm ein bisschen beim Aufräumen helfen. Wir entschieden uns fürs Aufräumen, Zeit hatten wir ja genug. Es war ein bisschen, als würde man versuchen, mit einem Teelöffel eine Baugrube auszuheben. Es gab einfach so viel zu tun, dass man gar nicht wusste, wo man anfangen soll. Auch nach zwei Stunden Arbeit, sah man keinen nennenswerten Erfolg. Aber darum ging es auch gar nicht. Dem Besitzer, Michael, war es wichtig, dass man ihm hilft, nicht, dass man etwas schafft. Ich glaube, er war uns sehr dankbar und hat sich ehrlich gefreut, uns bei sich zu haben. Wir haben uns dort auf alle Fälle sehr wohl gefühlt, sodass wir gleich zwei Nächte geblieben sind. In Tofino selbst hat man deutlich gemerkt, dass dieser Ort normalerweise von Touristen beherrscht wird. Alles ist teurer und es ist sehr schwierig, irgendetwas zu tun, ohne einen Haufen Geld dafür zu bezahlen. Niedlich war der Ort trotzdem.

Nachdem wir die Ostküste so gut wie möglich erkundet hatten, ging es wieder zurück nach Nanaimo. Dort hatten wir schon den ersten Interessenten für unsere Berta, mit dem wir uns abends noch getroffen haben. Es war ein komisches Gefühl, dass unser Zuhause verkauft werden sollte. Wir haben uns die ganze Nacht Gedanken darüber gemacht, wie wir unser ganzes Zeug transportieren sollten, sollte der Interessent zusagen. Am nächsten Morgen sagte er zu und wir hörten sofort auf, Essen einzukaufen, um unseren Ballast zu verringern. Wir freuten uns natürlich, dass wir somit auch noch das Geld für die Fähre sparen würden, was immerhin knapp 70 Dollar nur für das Auto gewesen wären. Wir hatten allerdings mit ihm ausgemacht, dass wir das Auto noch bis Ende der Woche behalten würden, da wir nochmal in den Norden der Insel fahren wollten.

Die Fahrt an der Küste entlang war traumhaft schön und wir haben superbillige Austern auf einer Austernfarm gekauft, die wir gleich am Abend noch roh essen konnten. Allerdings waren sie für unseren Geschmack ein wenig zu groß, sodass wir noch immer welche übrig haben. Die müssen wir jetzt aber wohl braten. Der Platz, an dem wir dort (unerlaubterweise) geschlafen haben, war wirklich traumhaft. Wir standen direkt am Meer, haben Feuer gemacht und uns das Essen schmecken lassen. Am Morgen kamen bei einem traumhaften Sonnenaufgang noch ein paar Seehunde vorbeigeschwommen und auch etwas, was wir als kleineren Wal identifiziert haben. Es könnte aber auch nur eine Robbe gewesen sein, so genau wissen wir das nicht. Die Nacht haben wir dort ohne Probleme verbracht, aber als wir auf dem Rückweg noch einmal dort geschlafen hatten, wurden wir am nächsten Morgen von einem Parkwächter geweckt, der uns entgegen der sonst eher diplomatischen Kommunikation der Kanadier recht deutlich zu verstehen gab: „There is no overnight camping, just to let you know“. Wir können dieses Satz echt langsam nicht mehr hören…

Den Norden selbst haben wir schnell abgefahren. Eigentlich waren wir nur eine Nacht dort. Es war ruhig, es war schön und wieder eine ganz andere Landschaft. Regenwald gibt es im Norden weniger und die Vegetation war eher typisch kanadisch. Aber da die Saison schon vorbei war und es auch furchtbar kalt war, gab es nicht sonderlich viel zu sehen und zu erleben. Deswegen haben wir uns dort nicht so lange aufgehalten und sind wieder zurück nach Nanaimo gefahren, wir hatten ja noch ein bisschen was zu packen.

Am Freitag haben wir uns gegen mittag mit dem Käufer getroffen, nachdem wir unser ganzes Leben wieder in vier Rucksäcke gepackt bekommen haben. Die waren allerdings zum Bersten voll und echt schwer. Wir müssen definitiv noch einiges aussortieren. Wir freuen uns einerseits, dass wir Berta so einfach und für einen guten Preis in wirklich gute Hände abgeben konnten, wo wir wissen, dass sie gut behandelt werden wird. Andererseits sind wir natürlich traurig, dass unser treuer Begleiter und unser Zuhause für ein halbes Jahr weg ist, was auch gleichbedeutend mit dem Ende unserer Reise durch Kanada ist. Ab jetzt erwartet uns ein völlig neues Kapitel, in dem wir erstmal wieder eine Weile arbeiten werden und dann mal sehen, wo es uns als nächstes hintreibt. Wir mussten beide ganz schön schlucken, als wir an der Fähre mit unserem Gepäck unsere liebe Berta verabschiedet haben.

Jetzt sind wir wieder in New Westminster bei Scott, uns tut noch immer alles weh von der Schlepperei, aber wir genießen auch den Zustand sehr, wieder ohne dicke Jacke und Winterschuhe nachts auf Toilette gehen zu können und ohne die Angst, dass ein Bär einen in den Hintern beißt. Aber die schlafen ja eh schon..